07 Oktober 2007
Wenn Obdachlose Gehörlose beklauen ...
Ich sitze im Schnellrestaurant, genieße meine Speise, schaue auf die flimmernden Bilder auf dem Bildschirm vor meiner Nase. Irgendwann setzt sich an einen Tisch gegenüber eine sehr vermutlich obdachlose Person hin, und nutzt dabei geschickt ein von einem vorherigen Besucher hinterlassenes Tablett als Deckung - (für das Personal) offensichtlich hat der Mann trotz seines Äußeren hier was gegessen, kann sich also als zahlender Kunde weiterhin hier aufhalten.
Wenige Minuten später kommt ein junger Mann vorbei, legt auf jeden Tisch ein Zettelchen und eine befellten Kleinfigur mit Anhänger. Auf dem Zettel steht zu lesen, dass hier im Rahmen der Selbsthilfe von Gehörlosen diese kleinen Plüsch(?)figuren für 4 Euronen das Stück zum Verkauf angeboten werden. Ich bin nicht interessiert, wende mich wieder den bewegten Bildern zu, beginne, zu verdauen. Aus den Augenwinkeln sehe ich den Obdachlosen aufstehen und verschwinden. Kurze Zeit später kommt der Hörgeschädigte - jetzt nehme ich auch sein Hörgerät wahr - wieder, um seine ausgelegte Ware einzusammeln (verkaufen konnte er bei der Aktion nichts). Er muss feststellen, dass auf dem Tisch des Obdachlosen nur noch das benutzte Tablett steht. Von der Person, die dort saß - keine Spur.
Der junge Mann ist etwas verwirrt, geht aber wieder, um kurz darauf nochmal zurückzukommen. Da von seiner Figur und der dort sitzenden Person weiterhin jede Spur fehlt, spricht er mich an. Ich kann ihm auch nur mitteilen, dass die Person, die dort saß, augenscheinlich gegangen ist, während ich auf den Bildschirm geschaut hatte. Die Information, dass ich die Person für einen Obdachlosen halte, vermag ich nicht in Gesten auszudrücken. Angepisst - halb auf den offensichtlichen Dieb, halb wohl auf mich (ich hätte ja wohl auch besser aufpassen können·...) - verschwindet der junge Mann wieder.
Ich weiß nicht, was ich aus der Geschichte machen soll. Wem gehört da meine Sympathie? Sicherlich, der Obdachlose ist ein Dieb, keine Frage. Aber der gehörlose junge Mann hat letztendlich mit Drückermethoden gebettelt - und wurde nun Opfer seiner eigenen, agressiven Bettelmethoden1. Fast liegen also meine Sympathien bei dem Obdachlosen, der clever 'das System' geschlagen hat - ein 'kleiner Sieg', der vermutlich der Höhepunkt seines Tages gewesen sein dürfte ...
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1: Man verstehe mich nicht falsch. Ich wohne in einer Stadt, in der es auch allgegenwärtig Verkäufer einer Obdachlosenzeitung gibt - (für Kleinstadtbewohner: es wird eine kleine Straßenzeitung herausgegeben - mit monatlicher Erscheinungsweise - die durch in Notlage geratene Menschen auf der Straße verkauft werden, wobei den Verkäufern selbst von jedem verkauften Exemplar etwa 50% des Kaufpreises als 'Einkommen' verbleibt; die Verkäufer sind aber organisiert, und während ihrer Arbeitszeit gewissen Auflagen unterworfen; letztendlich könnte man sich über einen Verkäufer auch beschweren, wenn er aufdringlich oder unfreundlich wird, was für diesen eventuell Konsequenzen hätte - vom Prinzip her sind die Verkäufer also deutlich eher Dienstleister als Drücker).
Trotzdem gehöre ich zu den Leuten, die - mehr emotional als rational - eher einem echten Bettler zwei Euro in den Becher werfenn, als einem Straßenzeitungsverkäufer zwei Euro im Tausch gegen sein Druckerzeugnis zu geben.
Wenige Minuten später kommt ein junger Mann vorbei, legt auf jeden Tisch ein Zettelchen und eine befellten Kleinfigur mit Anhänger. Auf dem Zettel steht zu lesen, dass hier im Rahmen der Selbsthilfe von Gehörlosen diese kleinen Plüsch(?)figuren für 4 Euronen das Stück zum Verkauf angeboten werden. Ich bin nicht interessiert, wende mich wieder den bewegten Bildern zu, beginne, zu verdauen. Aus den Augenwinkeln sehe ich den Obdachlosen aufstehen und verschwinden. Kurze Zeit später kommt der Hörgeschädigte - jetzt nehme ich auch sein Hörgerät wahr - wieder, um seine ausgelegte Ware einzusammeln (verkaufen konnte er bei der Aktion nichts). Er muss feststellen, dass auf dem Tisch des Obdachlosen nur noch das benutzte Tablett steht. Von der Person, die dort saß - keine Spur.
Der junge Mann ist etwas verwirrt, geht aber wieder, um kurz darauf nochmal zurückzukommen. Da von seiner Figur und der dort sitzenden Person weiterhin jede Spur fehlt, spricht er mich an. Ich kann ihm auch nur mitteilen, dass die Person, die dort saß, augenscheinlich gegangen ist, während ich auf den Bildschirm geschaut hatte. Die Information, dass ich die Person für einen Obdachlosen halte, vermag ich nicht in Gesten auszudrücken. Angepisst - halb auf den offensichtlichen Dieb, halb wohl auf mich (ich hätte ja wohl auch besser aufpassen können·...) - verschwindet der junge Mann wieder.
Ich weiß nicht, was ich aus der Geschichte machen soll. Wem gehört da meine Sympathie? Sicherlich, der Obdachlose ist ein Dieb, keine Frage. Aber der gehörlose junge Mann hat letztendlich mit Drückermethoden gebettelt - und wurde nun Opfer seiner eigenen, agressiven Bettelmethoden1. Fast liegen also meine Sympathien bei dem Obdachlosen, der clever 'das System' geschlagen hat - ein 'kleiner Sieg', der vermutlich der Höhepunkt seines Tages gewesen sein dürfte ...
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1: Man verstehe mich nicht falsch. Ich wohne in einer Stadt, in der es auch allgegenwärtig Verkäufer einer Obdachlosenzeitung gibt - (für Kleinstadtbewohner: es wird eine kleine Straßenzeitung herausgegeben - mit monatlicher Erscheinungsweise - die durch in Notlage geratene Menschen auf der Straße verkauft werden, wobei den Verkäufern selbst von jedem verkauften Exemplar etwa 50% des Kaufpreises als 'Einkommen' verbleibt; die Verkäufer sind aber organisiert, und während ihrer Arbeitszeit gewissen Auflagen unterworfen; letztendlich könnte man sich über einen Verkäufer auch beschweren, wenn er aufdringlich oder unfreundlich wird, was für diesen eventuell Konsequenzen hätte - vom Prinzip her sind die Verkäufer also deutlich eher Dienstleister als Drücker).
Trotzdem gehöre ich zu den Leuten, die - mehr emotional als rational - eher einem echten Bettler zwei Euro in den Becher werfenn, als einem Straßenzeitungsverkäufer zwei Euro im Tausch gegen sein Druckerzeugnis zu geben.
Labels: Erlebnisse
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