31 Juli 2007

Kleiderspende

Beim Zappen bin ich Samstag - für mich sehr seeehr untypisch - bei RTL Explosiv Weekend hängen geblieben. In dem Beitrag, der meine Aufmerksamkeit erregte, ging es um die Kleiderspende, für die von vielen caritativen Einrichtungen entsprechende Container bereitstehen. Mir - und den meisten von RTL befragten Kleiderspendern - war folgendes nicht bewust: Von den caritativen Einrichtungen werden die Kleider gleich und komplett weiterverkauft, sie behalten sich nur den Verkaufserlös als Spende.

Natürlich war der Beitrag recht reißerisch gehalten und ging letztendlich zugunsten des Effekts weitestgehend am Thema vorbei. Es wurde kein ausgewogenes Bild der Sachlage dargestellt, die Hintergründe dieser Praxis nicht aufgearbeitet und Alternativen zur Container-Kleiderspende - bei der gut erhaltene Kleidung kostenlos bedürftigen Menschen zur Verfügung gestelt wird - nicht aufgezeigt (obwohl es sie zumindest in Grossstädten geben dürfte).

Nein, lieber mit Schlamm werfen - Boulevard halt. Die Hintergründe der Kleiderspende in der momentanen Form sind wohl wie folgt. Die deutschen caritativen Einrichtungen stellen Container auf, führen Sammlungen durch. Die gesamten gesammelten Textilien werden komplett weiter verkauft, wofür die caritativen Einrichtungen - so die ausweichende Interviewauskunft - nur Cents pro Kilo erhalten.
Käufer ist ein Großhändler, der schließlich das Sortieren im Akkord übernimmt. Dabei werden die Textilien in vier Qualitätsstufen sortiert. Die Tonne (!) verkauft der deutsche Grosshändler schließlich weiter, für 22€ (vermutlich - auch wenn der Beitrag da natürlich wieder sehr vage ist - für die "besten" Klamotten; was mit den schlechteren Qualitätsstufen passiert, ist nicht bekannt).
Der neue Käufer verschifft die Ware in die dritte Welt - gerne nach Afrika. Dort verkauft er sie an die lokalen 'Einzelhändler' weiter, z.B. zum Preis von 120€ pro Tonne. Die 'Einzelhändlerin' im vorliegenden Fall war eine einfache Frau, die eben in eine (vorher nicht besichtigte) Tonne Wäsche investierte und nun den Rest des Monats damit beschäftigt war, ihre Investition hoffentlich in den Lebensunterhalt ihrer Familie für den nächsten Monat umzusetzen.
Laut Beitrag stammen auf diese Art momentan geschätzte 70% der in den 'zivilisierteren' Gebieten Afrikas getragenen Kleidung solcherart aus Amerika und Europa. Eine Übermacht, die in Afrika den erfolgreichen Aufbau einer lokalen Textilindustrie verhindert.

Viele der potentiellen Kleiderspender, die die RTL-Sendung mit der Praxis konfrontierte, waren nun entsetzt darüber, dass letztendlich die Leute doch noch Geld zahlen müssen, um an die eigentlich gespendete Kleidung zu kommen.
Zunächst war ich von der Praxis an sich auch sehr überrascht. Kurze Zeit später beschäftigte mich, einen wie geringen Anteil die deutschen caritativen Einrichtungen für ihren Anteil am gesamten Prozess erhalten. Mittlerweile bin ich soweit, die Schuld letztendlich der mangelnden Einsatzbereitschaft der deutschen Durchschnittsbevölkerung zu zu schieben: den letztlich haben die caritativen Einrichtungen ja hauptsächlich das Problem, dass sie zwar viele Kleider gespendet bekommen - aber den Aufwand, sie selbst zu verwerten einfach nicht bewältigen können - und sich daher lieber mit Cent-Beträgen abspeisen lassen bzw. auch gar keine andere Wahl haben ...

Anyone ...?

[Momentan in Winamp: Creedence Clearwater Revival - Before You Accuse Me]

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